Türchen 19

Das ist das Plus für den 19. November.

Elisabeth von Thüringen – eine schwierige Heilige mit vielen Ecken und Kanten. Aber damit ist sie im Heiligenkalender der katholischen Kirche alles andere als eine Ausnahme! Vielleicht muss das auch so sein. Weil Menschen, die etwas bewegen und die Welt verändern, oft für andere unbequem sind. Denn sie stellen das, was als „normal“ gilt, radikal infrage, rütteln an unseren Comfortzonen und zwingen uns, nachzudenken, umzudenken.

Was Elisabeth im Kern wollte – soziale Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit –, ist noch immer aktuell, gerade in Zeiten, da die soziale Schere sich immer weiter auftut. Weil die Heiligenlegenden aber oft ein bisschen spröde und altertümlich anmuten, habe ich schon vor einigen Jahren die Geschichte für Kinder neu erzählt. Vielleicht macht sie aber auch Erwachsenen Spaß.

Von Broten und von Rosen – Elisabeth ist nicht aufzuhalten!

Elisabeth war schrecklich traurig. „Warum kann ich den Armen im Dorf nichts mehr bringen, sonst hattest du doch auch nie etwas dagegen?“, fragte sie ihren Mann und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. „Weil …“, Ludwig machte eine Pause. „Weil wir sonst irgendwann selbst nichts mehr haben, deshalb“, sagte er bestimmt. „Du weißt, dass wir noch immer mehr als genug haben, Ludwig. Bis wir verhungern, muss schon ein ganzes Kreuzzugsheer in unserer Vorratskammer wüten!“ „Es ist mir egal, ich möchte einfach nicht, dass du gehst, und damit basta!“ Ludwig schaute seine Frau wütend an. Und Elisabeth schaute ebenso wütend zurück. Dann drehte sie sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand in ihrem Zimmer.

Elisabeth war eine Königstocher und schon mit vierzehn Jahren mit Ludwig, dem Landgrafen von Thüringen, verheiratet worden. Das war ganz normal damals und allen Freundinnen von Elisabeth ging es nicht anders. Aber einen Unterschied gab es doch zu ihnen: Elisabeth hatte ihren Mann wirklich sehr lieb, lieber als alle Menschen, die sie sonst kannte.

Umso weniger verstand sie, was jetzt in ihn gefahren war! Ludwig hatte sie von dem Tag an unterstützt, als Elisabeth völlig verwirrt aus der Stadt gekommen war. Heimlich hatte sie sich von der Wartburg, in der sie mit Ludwig wohnte, hinunter nach Eisenach geschlichen. Elisabeth war noch nie allein dort gewesen, immer hatte sie irgendwer von den Leuten begleitet, die auf der Burg wohnten und den ganzen Tag um sie herumwuselten. Das ging ihr auf die Nerven! Nie konnte sie mal allein sein. Und nie konnte sie mal wirklich den Menschen begegnen, die sie doch eigentlich regieren sollte. Also war sie heimlich gegangen. Was sie dann aber in den Gassen zu sehen bekam, tat ihr in der Seele weh: Kinder mit spindeldürren Armen und riesigen Augen, die an einem Stück verschimmeltem Brot nagten. Frauen, die kaum gehen konnten vor Schmerzen und trotzdem auf der Straße bettelten. Alte, die vor ihren Häusern saßen und sich nicht mehr bewegen konnten, um die sich aber niemand kümmerte.

Nach ein paar Stunden war Elisabeth den ganzen Weg zur Burg zurückgerannt und mitten in ein Diktat ihres Mannes an seinen Schreiber gestürzt. „Du musst etwas tun, Ludwig! Die Leute leiden schrecklich! Sie sterben und haben keine einzige glückliche Minute in ihrem Leben gehabt!“ „Elli, nun beruhige dich doch erst einmal“, hatte Ludwig gesagt und sie sanft in einen Sessel gedrückt. „Und nun erzähl mal der Reihe nach.“ Ludwig hörte ihr aufmerksam zu. Und auch, wenn er selbst das vielleicht ein bisschen anders sah, so konnte er seiner Frau doch keinen Wunsch abschlagen. Er erlaubte also Elisabeth, den Menschen zu helfen. Und das tat sie dann auch! Sie packte Brot und Getreide, Öl, Wein und Leinen in ihre Körbe und brachte sie den Armen. Sie pflegte die Kranken und verkaufte so manches Silber aus der Burg, um eine Arznei für sie davon zu besorgen. Am Ende überredete sie ihren Mann sogar dazu, ein Haus zu eröffnen, in das die Kranken kommen konnten, um sich pflegen zu lassen – und das ganz umsonst! Und jetzt wollte er sie nicht mehr zu „ihren“ Menschen gehen lassen, ihnen nichts mehr abgeben? Was war bloß los mit ihm?

„Das kann nur Heinrichs Idee gewesen sein“, dachte Elisabeth grimmig. Heinrich, der Bruder ihres Mannes, war gestern Abend zum Abendessen auf der Burg erschienen. Elisabeth konnte Heinrich nicht ausstehen, aber das ging Heinrich mit Elisabeth nicht anders. Sie hatte die beiden tuscheln gesehen, und nach dem Essen hatte Ludwig sie tatsächlich ins Bett geschickt. „Wie ein kleines Mädchen“, dachte Elisabeth wütend. „Bestimmt hat Heinrich ihm wieder irgendwas davon erzählt, dass er schließlich ein Adliger sei und sich nicht um die elenden Faulenzer von Bauern und Gesindel kümmern könne“, überlegte sie. Grübelnd legte sie sich auf ihr Bett.

Nach einer Weile klopfte es an die Tür. „Elli?“, rief Ludwig leise von draußen. Elisabeth war noch immer wütend und so antwortete sie ihm nicht. Da öffnete Ludwig vorsichtig die Tür und schaute um die Ecke. „Elli, nun sei mir nicht böse“, sagte er und setzte sich zu ihr aufs Bett. Er stricht ihr über die Haare und streichelte ihre Wange. „Es ist nur … Wir sind eben die Landgrafen und sie unsere Untertanen. Wir können nicht so tun, als gäbe es da keinen Unterschied.“ „Doch, weil sie nämlich genauso Hunger und Durst haben wie wir und weil sie Schmerzen haben, wenn sie krank sind, aber keinen Arzt, der ihnen hilft!“, rief Elisabeth aufgebracht. „Ja, Elli, ich weiß. Nur im Moment habe ich ein bisschen Schwierigkeiten deswegen. Die anderen Adligen lachen über mich hinter meinem Rücken. Tu mir den Gefallen und geh in den nächsten Tagen nicht in die Stadt. Danach sehen wir weiter.“ „Aber nur dir zuliebe“, lenkte Elisabeth grummelnd ein, „nur weil ich dich so lieb habe!“ Ludwig musste lachen. „Komm her, meine Elli“, sagte er und nahm sie in den Arm.

In dieser Nacht konnte Elisabeth nicht schlafen. „Ich muss einen Weg finden, den Menschen in der Stadt trotzdem zu helfen“, dachte sie. Und als es Morgen wurde, hatte sie eine Idee, wie ihr das gelingen könnte.

Nach dem Frühstück, als alle an ihre Arbeit gegangen waren, nahm sie sich einen Weidekorb aus der Küche und schlüpfte ungesehen in die Speisekammer. Hier nahm sie von allem ein bisschen, sodass wohl niemand auffallen würde, dass etwas fehlt. Den Rest des Korbes füllte sie mit Brot. „Das ist bis heute Abend sowieso hart und dann landet es wieder bei den Schweinen“, dachte Elisabeth. Ludwig war zu einem befreundeten Adligen ausgeritten und würde sicher nicht vor dem Dunkelwerden wieder zu Hause sein. Also ging sie zu ihrer Magd und sagte: „Martha, ich werde spazieren gehen, ich brauche frische Luft und ein bisschen Einsamkeit. Falls mich irgendwer vermisst, sag ihnen doch, ich läge mit Kopfschmerzen im Bett.“ Sie zwinkerte Martha zu und Martha zwinkerte mit einem verschwörerischen Lächeln zurück. Auf sie konnte Elisabeth sich verlassen!

Dann machte sie sich mit ihrem prallvollen Korb auf den Weg. Sie wollte durch den Wald hinunter in die Stadt gehen, dann würde sie niemand sehen. Doch kaum war sie ein paar Schritte vom Burgtor entfernt, als sie einen Reiter kommen sah. Und je näher er kam, desto deutlicher konnte sie erkennen, dass es Ludwig war! Da hatte sie sich wohl ordentlich verrechnet. Sie ging immer langsamer und Ludwig zog die Zügel seines Pferdes an, bis die beiden voreinander stehen blieben. „Hallo, meine Elli“, sagte Ludwig und sprang vom Pferd, „wo willst du denn schon so früh hin? Und ganz allein? Und durch den Wald?“, fragte er misstrauisch. Elisabeth konnte ihm gar nicht in die Augen sehen. „Och, ich, ich wollte nur ein bisschen allein sein …“, stotterte sie. „Und dazu brauchst du so einen schweren Korb?“, fragte Ludwig weiter. Elisabeth schwieg. Lügen war einfach nicht ihr Ding, da hielt sie besser einfach den Mund. „Was ist denn da drin, in deinem Korb?“, fragte Ludwig möglichst harmlos. Elisabeth sagte noch immer nichts. „Los, zeig mir, was in dem Korb ist!“, brüllte Ludwig. So kannte Elisabeth ihn gar nicht! Noch nie hatte er sie angeschrien! Da erwachten der Zorn und der Trotz in Elisabeth. Sie schaute ihm geradewegs in die Augen und zog das Tuch weg, das sie über die Brote gelegt hatte. „Nahrung, Ludwig“, rief sie, „Nahrung für Leib und Seele!“ Irgendetwas stimmte nicht, denn Ludwig starrte völlig verblüfft auf ihren Korb. Als Elisabeth den Kopf drehte und selbst hineinschaute, war der Korb über und über mit Rosen gefüllt. Da musste sie lächeln, nahm eine rote Rose heraus, reichte sie ihrem Mann und küsste ihn. „Sag ich doch: Nahrung für Leib und Seele“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Und Zeichen der Liebe – zu dir und zu all den anderen Menschen.“ Und damit ließ sie ihn stehen und ging ihres Weges.

(Aus: Marlene Fritsch: Das große Buch der Heiligenlegenden, Paulinus Verlag, Trier 2020)


Schnelles Brotrezept

Man braucht:

500 g Mehl (Dinkelmehl schmeckt besonders gut)

50 g Haferflocken

½ P. Backpulver

½ TL Natron

2 TL Salz

2 TL Zucker

250 ml Buttermilch

80 ml Wasser

25 ml Olivenöl

Sesam- oder Sonnenblumensamen

Pinienkerne

Butter für die Form

Und so geht’s:

Die trockenen Zutaten in eine Schüssel geben und vermischen, dann Buttermilch, Wasser und Olivenöl zugeben und verkneten, bis ein glatter Teig entstanden ist. Eine Kuchenspringform oder noch besser einen kleinen runden Bräter dick mit Butter auspinseln.

Ofen auf 220 Grad vorheizen.

Den Teig zu einer Kugel formen, in die Springform oder den Topf geben und dünn mit Olivenöl bepinseln, dann mit den Samen und Kernen bestreuen. Die Springform mit Alufolie bedecken, beim Topf den Deckel aufsetzen und für 40 Minuten in den Ofen schieben. Dann die Alufolie bzw. den Deckel abnehmen und weitere 20 Minuten backen. In der Springform bzw. dem Topf auskühlen lassen.

Das Brot ist relativ klein – mit einer Schleife drum oder in ein Handtuch gewickelt eignet es sich daher wunderbar zum Verschenken, auch für kleine Haushalte.


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